Das Kriegstagebuch von Anna Haag

Lesung mit Britta Schwenkreis

Samstag, 16.09.2023, 15 Uhr
Backnanger Friedhofskapelle

Anna Haags (1888-1981) Name ist in der Region präsent. In Backnang ist eine Schule mit sozialem Profil nach ihr benannt, in Althütte die Grundschule, zugleich das Geburtshaus der Lehrerstochter. In Stuttgart steht das Anna-Haag-Haus, Begegnungsstätte der Generationen und hauswirtschaftliches Ausbildungszentrum, das auf ihre Initiative nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden ist.

Sie war Schriftstellerin, sozial engagierte Frau, die vor allem den Frauen in der Nachkriegszeit praktisch helfen wollte und Politikerin im ersten Landtag Württemberg-Badens, dem sie als SPD-Abgeordnete angehört hat.

Durch die Erfahrung des Ersten Weltkriegs wurde sie überzeugte Pazifistin und aufgrund ihres Initiativ-Gesetzentwurfs im Landtag ist es heute im Grundgesetz festgeschrieben, dass niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf. Im Mai 1940 begann sie mit dem Tagebuchschreiben. Sie war entschiedene Gegnerin des Nationalsozialismus, was sie in ihren Tagebüchern unverblümt äußert. Die Tagebücher waren für sie eine Möglichkeit, „Dampf abzulassen“, was während der NS-Diktatur laut vor den falschen Leuten lebensgefährlich gewesen wäre.

Anna Haag berichtet von Propaganda, Opportunismus, Unmenschlichkeit, aber auch leisen, vorsichtigen Zeichen des Widerstands. Politik durchdringt den Alltag, der Luftkrieg bestimmt den Lebensrhythmus. Das Schreiben ist für Anna Haag eine Möglichkeit, zumindest gedanklich mit ihren Kindern in Verbindung zu bleiben. Briefe zu schreiben, wird schwierig bis unmöglich und so bleibt das Tagebuch, in dem sie das, was Anna Haag ihren Kindern gerne sagen würde, aufschreibt.

Im Tagebuch äußert sie immer wieder den Wunsch, dieses als Chronik und Mahnung in einem demokratischen Nachkriegsdeutschland zu veröffentlichen. Am liebsten in Kooperation mit Radiomoderatoren von „Feindsendern“, deren verbotene Sendungen sie heimlich hört. Dieser Wunsch ist spät in Erfüllung gegangen. 2021 ist das Tagebuch bei Reclam unter dem Titel Das Denken ist heute überhaupt nicht mehr Mode erschienen.

Britta Schwenkreis, die Anna Haags Tagebücher 2005 wissenschaftlich ausgewertet hat, liest im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Erinnern und Gedenken“ des Heimat- und Kunstvereins Backnang Auszüge daraus.

Im Begleitprogramm singt Karera Fujita; Absolventin der Musikhochschule Stuttgart für Gesang und darstellendes Spiel, Lieder, die zu den Texten aus dem Tagebuch inhaltlich passen.